Das hier ist nun ein Doppelformat: Zwei Blogartikel, die inhaltlich zusammenhängen. Entstanden sind sie schon vor einigen Wochen, aber ich lasse sie immer noch etwas "reifen", bevor ich sie freigebe, weil ich Dinge meist erst dann hergeben will, wenn der Prozess bei mir abgeschlossen ist und ich etwas Abstand dazu habe.
1) Blogger Struggles
Tatsächlich fühle ich mich nicht selten hin- und hergerissen, was ich denn jetzt eigentlich hier auf dem Blog veröffentliche und was lieber nicht. Meine Festplatte ist voll mit Artikeln, die es bisher nie auf den Blog geschafft haben, weil sie entweder noch nicht fertig sind, oder aber weil ich sie aus irgendeinem Grund bisher zurückgehalten habe. Ich tue mich manchmal schwer damit, Dinge wirklich geschrieben zu veröffentlichen, weil sie dann schwarz auf weiß hier stehen und sie jeder nachlesen kann und sie wie in Stein gemeißelt wirken. Dabei ist es schon manchmal so, dass ich über ältere Artikel denke: „So würde ich das heute nicht mehr nennen“ oder „Wirklich? Hm dazu hat sich meine Meinung inzwischen etwas geändert.“ Ich staune manchmal selbst, was ich so geschrieben habe. Und irgendwie geht das ja jedem so, der Texte schreibt. Es sind im Prinzip nichts weiter als Momentaufnahmen.
Manchmal verrenne ich mich gedanklich total in einem Thema, das ist eine meiner Schwächen. Dann bin ich so tief da drin, dass ich es alleine manchmal nicht mehr herausschaffe und dann brauche ich jemanden zum Reden, zum Beispiel meinen Mann, der mich wieder da herausholt. Er tickt da nicht so kompliziert wie ich und ich liebe seine simplen, aber gehaltvollen Antworten. Sie erden mich. Während ich ihm meine Selbstzweifel ausspucke und wieso ich das alles mache und ob ich es nicht lassen sollte, weil es doch schwierig ist, sich überhaupt zu positionieren und und und … legt er mir simple Wahrheiten vor die Füße, ohne überhaupt Raum dafür zu lassen, sich zu fragen, was Wahrheit denn sein soll und ob es sie gibt. Das ist absolut wohltuend. Ich hoffe, ihr habt auch jemanden, der euch immer wieder ins Lot bringt. Das schenkt mir dann wieder neuen Mut, weiterhin einen Teil meiner Gedankenwelt mit euch zu teilen. Ihr könnt euch aber darauf verlassen, dass manches, was ihr lest, nicht mehr dem entspricht, wie ich das heute sagen würde. Man kann ja auch gar nie alle Aspekte eines Themas auf einmal erfassen und Gedanken entwickeln sich ja auch weiter mit der Zeit, Meinungen ändern sich …
Und während ich dann über diese Dinge nachdenke, frage ich mich, was denn eigentlich beständig ist, wenn man sich nicht einmal auf sich selbst verlassen kann … Wie viel von dem, was wir uns erdenken, ist realistisch? Und was ist mit den ganzen Konstrukten, selektiver Wahrnehmung, persönlicher Prägung, Persönlichkeit … vielleicht ist das, was ich glaube, eben nur das, was ich glaube, und das, was ihr glaubt, nur das, was ihr glaubt, weil ich es und ihr es nicht anders sehen könnt? Welchen Informationen vertrauen wir und warum? Sind wir selbst nichts weiter als das Produkt unseres Umfelds? Sind wir überhaupt wirklich eigenständige Personen, die in der Lage dazu sind, ein kritisches Urteil zu fällen? Inwiefern sind wir Opfer der Gedanken, die unser Gehirn kreuzen? Welchen Wert haben folglich unsere Meinungen oder politischen Einstellungen? Inwiefern sind wir ein Selbst? Identifizieren wir uns über unsere Gedanken oder sind wir jenseits davon jemand?
Ich glaube nicht, dass wir unsere Gedanken sind. Ich glaube, wir haben Gedanken, aber wir sind sie nicht. Und diese Gedanken müssen ja von irgendwo herkommen. Deshalb denke ich, dass wir zwar schon als individuelle Einzelpersonen nebeneinander existieren, aber dass die Dinge/Gedanken um uns herum zunächst einmal für alle dieselben sind, nur dass nicht jede*r alle Gedanken kennt oder zur gleichen Zeit wahrnimmt oder überhaupt gleich wahrnimmt. Wie so eine Einheitsmasse, in der wir einzeln stehen, die uns aber alle umgibt. Ich glaube, man könnte das auch als Realität bezeichnen. Und ausgehend von dem, was von dieser Realität gerade unseres Wegs entlang kommt bzw. unser Gehirn durchstreift, tauschen wir uns miteinander darüber aus, also über unsere Gedanken, die wir wiederum zu Meinungen und politischen Einstellungen verwerten, über Gefühle, die da heraus entstehen und Handlungen, die wir empfehlen oder umsetzen. Also schon alles höchst individuell und auch nur individuell wahrnehmbar, aber eben trotzdem aus einem großen Brei stammend. Dann ist auch klar, dass innerhalb dieser Realität bzw. zwischen Einzelpersonen ganz viele Konstrukte durch uns entstehen und entsprechend auch wieder ganz vieles dekonstruiert werden kann, zumindest aber hinterfragt werden sollte. Deshalb haben meiner Meinung nach folglich sowohl der Realismus als auch der Konstruktivismus ihre Berechtigung. Für mich als gläubiger Mensch ist diese Realität identisch mit Gott. Ich glaube, Gott ist die einzige, endgültige, letztliche Realität. Und wenn Gott identisch ist mit dem ausschließlich guten Leben und der Liebe, wir aber noch in der Phase leben, in der Gott uns fairerweise eine Chance lassen muss, ohne ihn sein zu können, wenn wir das wollen, dann muss es Dinge geben, die nicht Gottes Idee entstammen und dann ist es unsere Aufgabe, immer wieder unser Denken und Handeln zu überprüfen und zu schauen, ob wir uns noch in Richtung „gutes Leben“ bewegen und ob wir noch mit Liebe leben, weil das die Dinge sind, die von Gott kommen und weil wir genau dafür bestimmt sind und weil die guten Dinge diese Mühe wert sind. Dann dürfen wir uns von negativen Dingen nicht herunterziehen oder in Besitz nehmen lassen, sondern müssen sie mutig und selbstbewusst fortschicken, weil wir kein schlechtes Leben dulden sollten. Dann ist unsere Identität nicht in unseren Gedanken verankert, sondern in Gott selbst. Wir sind also nicht, wer auch immer wir gerade zu sein scheinen oder wie wir uns geben, sondern wir sind, wer Gott in uns sieht, und es ist sein Wunsch für uns, dass wir schon mal darauf hinleben. Ich finde also, dass sich das alles ziemlich gut mit biblischen Perspektiven deckt. Da fällt mir zum Beispiel auch ein, dass Jesus uns aufruft, unser Denken zu ändern und dass wir nicht alles glauben sollen, was unser Herz uns sagt, weil es eben manchmal auch Sch**** labert. Das deckt sich ziemlich gut mit einem psychologischen Ansatz aká „Glaub nicht alles, was du denkst.“ Deshalb auch nicht „Follow your heart“, sondern „Lead your heart.“
Und solltet ihr jetzt ganz andere Gedanken dazu haben, dann habe ich damit kein Problem, sondern im Gegenteil: Oft finde ich gänzlich andere Ansichten erfrischend. Und man muss eben nicht einer Meinung sein und kann sich trotzdem austauschen. Das ist nur, wie ich das momentan sehe ….
Puuuh, das war jetzt viel. Wie auch immer. Ich halte fest: Vieles von dem, was ich veröffentliche, ist strittig und glaubt mir, ich würde mir sehr gerne auch ein paar Einwände oder kritische Gedanken von euch anhören, wenn wir miteinander diskutieren könnten. Aber das geht in diesem Format eben nicht, abgesehen von der Kommentarfunktion.
Ich bitte euch also, zu lesen, was ich schreibe, ohne es überzubewerten und euch stattdessen eure eigene Meinung dazu zu bilden (oder eben zu beobachten, welche Gedanken dabei durch euren Kopf rauschen und wie sie sich gut verwerten lassen).
So weit mal ein kleines Update über echte Blogger Struggles …
Liebe Grüße!
Eure Annalena
2) Selbstzweifel & Schuldgefühle
In den letzten Tagen war ich ganz schön von Schuldgefühlen geplagt, die ihre Berechtigung hatten, weil ich tatsächlich schuldig geworden bin. Im Prinzip immer da, wo ich anderen Menschen nicht mit Liebe begegnet bin, und das passiert uns allen ja immer wieder.
Ich hab in der Vergangenheit manchmal falsche Dinge gesagt, Fehler gemacht, manchmal nicht die richtigen Worte gefunden, überreagiert und vieles übersehen, zu egoistisch gedacht und mich über so manche(s) erhoben. Das ist an sich nichts Außergewöhnliches, das passiert ja jedem mal, aber es wurde mir in dem Moment so bewusst. Dann bricht so eine Art gedankliches Gewitter über mir zusammen und ich versinke in Selbstzweifeln und anderen negativen Gefühlen mir selbst gegenüber. Und ja, das sind vermutlich alles mehr oder weniger sanfte Fehler, schließlich habe ich niemanden umgebracht. Aber diese Vorwürfe sind doch irgendwie berechtigt, wenn wir schuldig wurden, egal wie groß oder klein das Vergehen war.
Ich bin kein besserer oder schlechterer Mensch als andere, ich bin einfach nur ein Mensch und Menschen machen Fehler. Trotzdem bleibt die Schuld, die ich auf mich geladen habe. Fehler können nämlich nicht rückgängig gemacht werden und Schuld kann nicht wiedergutgemacht werden. Und das schmerzt. Wenn es um Schuld geht, ist es eben nicht getan mit einem „Das passt schon.“ Das reicht irgendwie nicht. Ich glaube, dass wir alle ein sehr gutes Gespür für Gerechtigkeit und Schuld haben und oft unter unserer eigenen Schuld am meisten leiden, das ist schon interessant. Wie froh bin ich in solchen Momenten, dass Gott uns Vergebung anbietet! Das ist eigentlich ein Skandal!
Mir ist schon klar, dass das ein unbeliebtes Thema ist, vor allem wenn man es in den Zusammenhang mit Gott und Religion stellt. Aber gleichzeitig glaube ich - wie gesagt - dass wir Menschen oft am meisten unter unserer eigenen Schuld leiden, und zwar auch ohne dass es dazu einer Instanz von außen bedarf, die uns darauf hinweist. Mir geht es hier also nicht darum, zu checken, ob ich "religiöse Soll-Werte" erfülle (die interessieren mich eh nicht) und wehe, wenn nicht, dann aber schnell schnell um Vergebung bitten, oder gar euch mit erhobenem Zeigefinger gegenüberzutreten, mir geht es hier um die Schuldgefühle, die ganz von selbst von innen an die Oberfläche kommen - nicht etwas, das mir von außen eingeredet wird.
Vergebung … fast will ich schreiben „einfach so“, aber das stimmt nicht. Gottes Vergebung ist nicht billig, sondern teuer bezahlt. Ehrlich gesagt, hat es ihn alles gekostet. Schon allein deshalb wäre es schlimm, wenn wir sie verweigern. Ich glaube nämlich, dass genau unser Schmerz über die hässlichen Dinge im Leben (Fehler etc.) Gott das Herz brechen und ihn dazu gebracht haben, alles für uns zu geben und ich bin mir sicher, er tut für uns auch heute noch immer wieder alles, was er kann.
Dann erinnere ich mich auch daran, dass das ja nicht alles war und dass ich bisher im Leben bei weitem nicht nur Schlechtes getan habe. Ich habe nämlich oft auch so manches gut gemacht, Passendes gesagt, liebevoll gedacht, freundlich reagiert, versucht, zu verstehen, Schönes bemerkt und verfolgt, Güte verschenkt und Liebe gegeben. Zumindest aber habe ich versucht, es gut zu machen - meistens. Ich habe mein Bestes gegeben, auch wenn mein Bestes nicht das Allerbeste ist, was es gibt. Und sowohl hier auf dem Blog als auch in echt hab ich oft einfach mein Herz geteilt und vielleicht sollten wir Ansprüche auf Vollkommenheit aufgeben, wenn es darum geht ...
Ich frage mich immer mal wieder, ob ich eigentlich bereit dazu bin, andere Menschen aus der Schublade herauszulassen, in die ich sie mal gesteckt habe, und ob andere bereit sind, mich aus ihren Schubladen zu entlassen. Mir fällt das schwer. Vielleicht sind auch deshalb Kategorien irgendwie schwierig, weil sie uns Menschen oft unverhältnismäßig pauschalisieren und beschränken. Was, wenn wir unter den Schubladen und Kategorien, in die wir uns selbst stecken, noch viel mehr leiden als unter denen, in die andere uns stecken? Deshalb die Frage: Sind wir bereit dazu, andere immer wieder aus unseren Schubladen zu entlassen? Und sind wir bereit dazu, auch uns selbst immer wieder da heraus zu entlassen? Wieder denke ich hier an Gott, der mich aus solchen selbst gebauten Gefängnissen heraus retten kann, wenn ich es allein nicht schaffe, und der mir die Freiheit zum Atmen und zum Leben zurückschenkt, die ich brauche. Wie er das tut, bleibt ihm überlassen, ob durch gute Gedanken oder andere Menschen oder ...
Wenn ihr also mal mit Schuld – ob als Beschuldigte oder als Beschädigte – konfrontiert seid, dann lasst euch gesagt sein, dass es immer die Chance zur Versöhnung und zum Neuanfang gibt. Ich wünsche uns, dass wir diese Chancen selbst in Anspruch nehmen und dass wir sie großzügig weitergeben können.
Und weil ich’s nicht lassen kann, hau ich euch hier mal ein paar Lieder rein, die diese Themen aufgreifen und mir in solchen Situationen helfen mich daran zu erinnern, dass Schuld nicht das letzte Wort hat, sondern immer noch unser Gott:
Mein Platz bei dir (Johannes Falk)
Just as I am (Travis Cottrell)
Niemand so wie du (Alive Worship)
Ich nehm dich an (Feiert Jesus! feat. Patrick Jakucs)
East to West (Casting Crowns)
Vielleicht helfen die euch auch mal weiter, wenn Schuld oder Scham euch belasten.
„So fern wie der Osten vom Westen liegt, so weit wirft Gott unsere Schuld von uns fort!“
Psalm 103,12
Alles Liebe,
Eure Annalena
Foto Miniatur und Titelbild: Steve Johnson