„Es ist nicht rational. Es ist.“ Das ist, glaube ich, ein Zitat aus einem Buch von Timothy Keller. Ich weiß es nicht mehr genau. Aber es ist mir so sehr in Erinnerung geblieben und ich denke häufig daran, sodass ich hierzu mal was schreiben will.
Ich liebe es, rational zu sein. Ich bin (offensichtlich) ein richtiger Kopfmensch. Ich denke gerne nach, stelle gerne Fragen und freue mich über logische Antworten. Ich liebe es, vernünftig zu sein. Ich übernehme gerne Verantwortung, nachdem ich mir vorher Vor- und Nachteile bewusst gemacht und eine Entscheidung getroffen habe. Und ich lebe in einer Epoche, in der es normal ist, völlig verkopft zu leben, so als gäbe es sonst nichts weiter (der Aufklärung sei Dank). Das gute rationale Leben eben. Planbar. Absehbar. Übersichtlich. Strukturiert.
Doch zu meinem Entsetzen muss ich immer wieder feststellen, dass das Leben nicht immer so ist. Es scheint Dinge zu geben, die allein mit dem Verstand nicht zu erfassen sind. Noch während ich diese Zeilen tippe, nervt mich diese Erkenntnis direkt wieder – ahhhh wenn ich mir das doch bloß nicht eingestehen müsste. Ich hätte am liebsten immer (oder zumindest oft) die Kontrolle, den Durchblick, den Plan. Aber es stimmt: Manches ist irgendwie nicht ganz rational. Zu groß oder zu klein für unser neuronales Netzwerk. Zu krass.
Ich erinnere mich noch, dass es in dem Abschnitt des Zitats um die Liebe ging … Liebe. Zur Liebe passt es irgendwie, nicht rational zu sein (zumindest nicht nur, meiner Meinung nach hat sie auch eine rational-logische Seite, aber das ist ein anderes Thema). Sei es die Liebe zum Partner, zu den Eltern, zu Freunden oder Kindern – wirklich rational ist sie nicht, das stimmt schon. Irgendwie tröstet mich dabei immer wieder oben genanntes Zitat: „Es ist nicht rational. Es ist.“
Wenn das auf die Liebe zutrifft, dann bezieht sich das auch auf das gute Leben. Vieles davon ist eben nicht immer so rational, es ist einfach da und es ist gut so. Ein Nutellatoast am Morgen ist nicht rational, aber gut. Lippenstift zu tragen ist nicht rational, aber schön. Ein Schweinesteak mit Senf am Abend ist nicht rational, aber lecker. Schnittblumen in der Wohnung sind nicht rational, aber hübsch. Insgeheim brüsten wir uns, glaube ich, oft mit unserem ach so rationalen Denkvermögen, dabei handeln wir jeden Tag offensichtlich häufig nicht rational.
Rationalität hat für mich auch immer etwas Zweckgebundenes. Doch das gute Leben ist völlig unverzweckt. Es ist absolut unbestechlich und lässt sich nicht erzwingen, ist geradezu unverfügbar und unkontrollierbar, im Wesen frei. Das macht das gute Leben ja so gut, denn das gibt es nur im Tausch gegen Vertrauen. Es ist nicht käuflich.
Mich erinnert dieses Zitat auch immer an Gott (wer hätt’s gedacht!?). Es erinnert mich an den, der von sich selbst behauptet: „Ich bin“ (s. 2. Mose 3,14). Der „Ich bin“, der den Ursprung des Lebens für sich beansprucht. Der, der damit im Umkehrschluss auch sagt: „Ohne mich ist nichts.“ Fast derselbe Wortlaut nun also als Erkenntnis über genau dieses Leben: „Es ist.“ Seltsam? Verwunderlich? Ich finde nicht. Laut der Bibel gehen Erkenntnisse über die Liebe und das Leben ineinander über, weil sie beide im Wesen Gottes verwurzelt sind. Sie dürfen sich also nicht widersprechen (herrlich rational, oder?). Es gilt also, dass manche Dinge einfach so sind, wie sie sind, auch wenn wir sie nicht immer vollständig verstehen können.
Vor diesem Hintergrund versuche ich mich wirklich damit anzufreunden, dass das Leben eben nicht nur rational ist und versuche zu sehen, wie gut das ist! Denn das nicht-rationale Leben ist vielleicht gerade das, was es so lebendig macht, weil es überraschende, ungeahnte Realitäten hervorbringt.
„Es ist nicht rational. Es ist.“
Ja, denn vielleicht passt, was von Herzen kommt, nicht immer in unseren Kopf hinein … und das ist gut so.