Better together

Theo
22. Januar 2021


Better together


Was es bedeutet, Wegstrecken zu teilen

Die Geschichte der Emmaus-Jünger neu entdeckt


Ganz kurze Zusammenfassung, für die, die die Geschichte noch nicht kennen: Jesus schließt sich zwei Jüngern an, die gerade unterwegs von Jerusalem nach Emmaus sind. Sie erkennen ihn aber nicht und er gibt sich ihnen auch nicht zu erkennen. Er beginnt sie zu fragen, was sie beschäftigt und sie unterhalten sich darüber (Lukas 24, 13-34).


Ein paar Dinge über Gott, die mir im Zusammenhang mit dieser Story wichtig geworden sind, habe ich ganz neu verstanden und teile sie gerne mit euch:

  • Gott priorisiert: Dass er unsere Wegstrecke mit uns mitgehen kann, ist für ihn wichtiger, als uns sofort zu belehren, zu kritisieren, direkt aufzuräumen oder uns zurechtzudiktieren
  • Gott möchte unser Vertrauen. Er liebt und schätzt es so sehr, wenn wir ihm das schenken
  • Er möchte wissen, was uns auf dem Herzen liegt, denn er interessiert sich für uns
  • Gott ist für uns da, hört uns zu, sieht uns an und geht mit uns unseren Weg mit


Emmaus ist für mich zu einer der vielen Stellen in der Bibel geworden, wo Gott uns zeigt, dass er einfach gerne mit uns unterwegs sein will. Jesus ging hier nicht auf die zwei traurigen Jünger zu und sagte: „Hey Leute, andere Richtung! Dreht sofort um! Ich bin es, Jesus, und ich sag euch jetzt, wo es lang geht.“ Nein, Jesus ging den Weg der Jünger mit. Er ging ihren Weg mit. In ihrem Fall, den Weg der Traurigkeit und Enttäuschung. Und dabei verlangt er gar nichts von ihnen, sondern bietet sich als guten Freund an, der einfach da ist. Wow, das berührt mich irgendwie: Dass Gott unseren Weg mit uns gehen will. Er steht nicht da und sagt: „Jetzt komm mal hierher auf meinen Weg und zuerst möchte ich, dass du dies und jenes änderst und erst dann können wir schauen, ob wir miteinander ins Gespräch kommen können und ob das mit uns überhaupt etwas wird.“ Nein, er geht unseren Weg mit. Will unser Wegbegleiter sein. Kommt dorthin, wo wir gerade stehen. Holt uns dort ab, wo wir sind. Nimmt uns an, wie wir sind. Egal, ob wir gerade enttäuscht und überfordert wie die Emmaus-Jünger sind. Egal, ob wir weit weg von Gott sind oder gar überhaupt nicht an ihn glauben. Wenn wir ihn lassen, zeigt er uns langfristig sicherlich den Weg, den er für uns sieht, denn er hat grandiose Aussichten im Gepäck. Aber er zwingt uns das nicht auf und vor allem: das steht bei ihm nicht an erster Stelle. An erster Stelle steht, dass er bei uns sein will.


Ist dieses „Gemeinsam-unterwegs-Sein“ nicht das, worum es auch in unserem Leben mit anderen Menschen geht? Ich glaube, viele Menschen – auch diejenigen, die nicht an Gott glauben – würden dem zustimmen: Miteinander unterwegs zu sein. Sich aufeinander einzulassen. Sich unserem Gegenüber zu öffnen. Unsere Verletzlichkeit zu zeigen. Ehrlich zueinander zu sein. Aufrichtig interessiert zu sein am anderen und mitzufühlen. Da zu sein. Darum geht’s doch. 
Anstatt mit Scheuklappen seinen eigenen, vielleicht einsamen Weg zu gehen. Nicht nach rechts und links zu schauen. Für sich zu bleiben. Sich zu verschließen aus Angst, sich verletzbar zu machen, enttäuscht zu werden oder sein Gesicht zu verlieren.

Findet das wahre Leben nicht dort statt, wo wir Beziehung ausleben?
Wo wir Wegstrecken miteinander teilen? Uns gegenseitig zuhören, ansehen, füreinander da sind? Manche dieser gemeinsamen Wegstrecken sind nur sehr kurz, andere überdauern mehrere Jahre und wieder andere gehen sogar bis zum Ende unseres Lebens, nämlich dort, wo wir Menschen haben, die zu unseren dauerhaften Wegbegleitern werden und wir dasselbe für sie sind. In dieser Zwischenmenschlichkeit findet doch das Leben statt, das es so kostbar macht. Oder?


Ich glaube, Gott ist ganz schön flexibel. Ich frage mich, warum in vielen Köpfen das Bild herrscht (zumindest kommt mir das so vor), dass Gott ein ganz strenger, festgefahrener Typ ist, der fest fixiert dasteht und auf uns herabschaut. Gott ist ein Gott der Bewegung. Er bewegt sich, um uns zu bewegen. Das ist auch eine der Eigenschaften, die mich am meisten an ihm begeistern. Wenn ich in die Bibel schaue, sehe ich, dass Gott schon immer so war. Dass er schon immer einfach mit seinen Menschen unterwegs sein wollte, für die er natürlich größere Ziele hat und sie auch dorthin führen will, aber es ging ihm vorrangig schon immer um dieses Vertrauensverhältnis. Dafür opfert er auch vieles (nicht zuletzt ja sich selbst) und geht viele Kompromisse mit seinen Leuten ein. Nicht, weil er menschliche Wünsche und Ideen immer so super findet oder weil wir immer alles gut und richtig machen. Nee, weil er uns liebt und sich danach sehnt, dass wir ihm vertrauen und unser Herz mit seinem Herzen im Austausch steht. Es ging Gott schon immer darum. Er wollte uns. Einfach uns. Und um uns zu umwerben, hat er sich schon immer als sehr flexibel und grenzenlos gezeigt. Als ein Gott, der liebevoll bittet, unser Freund sein zu dürfen. Also weg mit dem Bild von einem verstaubten, strengen, unerbittlichen, langweilenden Gott. 


Gott ist ein Gott, der unterwegs ist. Unterwegs zu uns, unterwegs mit uns, unterwegs in dieser Welt – und ich glaube, da hat er alle Hände voll zu tun, aber ich bin mir sicher, er liiiiiebt seinen Job 😊 Aber okay, zurück zum Thema. Gott kommt zu uns und geht mit, wenn wir ihn lassen. Als Freund und Wegbegleiter, der uns das geben will, wonach wir uns doch sehnen: Aufmerksamkeit und Annahme.

Unser Gott ist ein Beziehungs-Gott. Auch das wird mir durch diese Geschichte erneut bewusst. Denn wenn das Leben zwischen Mensch und Mensch in Beziehung stattfindet, dann findet auch das Leben zwischen Gott und Mensch in Beziehung statt. Und wenn ich glauben kann, dass ich von diesem Gott geschaffen wurde, der ja selbst schon immer in seiner Dreieinigkeit Beziehung lebt, dann wird mir auch klar, warum wir als Ebenbilder Gottes, also Kreaturen, die ihm vom Wesen her sehr ähnlich sein müssen, ebenfalls solche Beziehungswesen sind und dass das im Kern das ist, was uns ausmacht: unsere Beziehungsfähigkeit. Irgendwie logisch, dass sich dann hieraus auch unsere innigsten, „kernigsten“ Bedürfnisse ableiten: Der Wunsch, gesehen, gehört, geliebt zu werden und dasselbe geben zu können. Dementsprechend muss die Einsamkeit wohl einer unserer größten Feinde sein. Denn bei Gott gibt es keine Einsamkeit, Gott war nie allein und wird es nie sein, weil er ja quasi immer zu dritt und doch eins ist und auch ohne uns Menschen in dieser unbegreiflichen Konstellation der Dreieinigkeit schon seit jeher Beziehung lebt. Kein Wunder also, dass auch wir Menschen Einsamkeit nur schwer ertragen können, wo wir doch vom Wesen her offensichtlich nicht dafür gemacht sind. Corona lässt viele von uns das allzu sehr spüren.


Wenn ich mich in dieser Welt umschaue, dann trifft das alles ziemlich genau den Nagel auf den Kopf. Man könnte wirklich meinen, die ganze Menschheit sei bestimmt von diesen Sehnsüchten, die sich leider oft in unguten Ergebnissen zeigen: Machtmissbrauch, Manipulation, ungesunde Beziehungen, Sex für Geld, Wut, Hass, Enttäuschung, Egoismus … und das alles aus der Angst heraus, zu kurz zu kommen und nicht wichtig genug zu sein.


Ich glaube, wir sollten öfter ganz bewusst Wegstrecken mit anderen mitgehen und echte Beziehungen leben. So wie Gott uns das vormacht: Better together!



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