Weihnachts-Recap

Theo
6. Januar 2024

Die Weihnachtsgeschichte in der göttlichen vs. menschlichen Version

Also ich finde die Weihnachtsgeschichte ja total absurd. Und gerade deshalb glaube ich sie. Viele Leute tun sich ja schwer mit der biblischen Weihnachtsgeschichte, doch, sind wir mal ehrlich: Wer würde sich so eine Geschichte bitteschön ausdenken? Dass eine Jungfrau ein Baby bekommt und es dann auch noch zwischen Tür und Angel zur Welt bringt und das der Messias sein soll? Wie bitte? Das klingt in meinen menschlichen Ohren wie das reinste Märchen! Da hat sich ja jemand eine tolle Geschichte ausgedacht – vielleicht wirklich in der Hoffnung, ein Großteil der Menschheit würde Hunderte und Tausende von Jahren später gemütlich in der weihnachtlich dekorierten Wohnung mit Lichterkette sitzen, um sich bei Keksen und Glühwein eine kuschelige Geschichte vorzulesen. Doch, Moment mal … Erstens ist die Weihnachtsgeschichte gar nicht so kuschelig, also eigentlich wirklich überhaupt nicht (!), und zweitens würde sich ja wohl niemand SO eine Geschichte ausdenken, zumindest niemand, der seine Glaubwürdigkeit erhöhen will. Hier kommen ein paar Punkte, die mir an der Weihnachtsgeschichte neu aufgefallen sind, und die mich gerade aufgrund ihrer Abartigkeit ziemlich faszinieren:


  • Maria: Maria war kurz gesagt eine ziemlich unbedeutende, junge Frau, die noch nicht einmal volljährig war. Eine Gläubige, ja, sehr sogar, aber das war’s dann auch. In einem offiziellen Bewerbungsverfahren hätte sie wohl keine besonders guten Chancen gehabt, sich durchzusetzen als leibliche Mutter von Gott selbst. Außerdem war sie, wie wir ja alle wissen, nicht verheiratet. Autsch. Spätestens hier wäre sie ausgeschieden: Kein Foto für Maria von Heidi Klum, kein Recall bei DSDS, kein Buzzer bei The Voice und keine Rose vom Bachelor, oder wie auch immer das heutzutage ablaufen würde …
    Doch Gott entscheidet sich trotzdem für Maria. Und zwar ziemlich dramatisch, nämlich mit der Ankündigung einer Schwangerschaft. Und das in einer Zeit, in der man als Frau für unehelichen Sex gesteinigt wurde. Das Ganze war also nicht nur äußert untraditionell, sondern auch echt gefährlich! Und Maria so: „Okay, ich mach’s.“ Krass! Den Mut hätte ich mal gern!
    Fakt ist also:
    Gott kommt gerade durch die ungeplante Schwangerschaft einer Unverheirateten in diese Welt. Von allen Wegen, die er hätte wählen können, wählt er ausgerechnet diesen. Na, wenn das nicht ein Statement ist! Und ein ganz schöner Affront und minimaler Wink mit dem Zaunpfahl gegenüber den Religiösen – damals wie heute – aber wirklich nur minimal.


  • Die Volkszählung: Na, erinnert ihr euch noch an den Zensus 2022? Tja, manche Dinge ändern sich wohl nie. Maria und Josef müssen kurz vor dem Geburtstermin nach Bethlehem reisen, um sich dort manuell in Josefs Heimatstadt als Einwohner des Landes registrieren zu lassen. In einer Zeit, in der es keine Autos, Züge, Flugzeuge oder andere komfortable Fortbewegungsmittel gab. Ein Esel musste reichen. Die Armen. Einer Hochschwangeren eine so beschwerliche Reise auf den letzten Metern ihrer Schwangerschaft aufs Auge zu drücken … hm vielleicht auch nicht der schönste Teil, den man sich für die Geschichte eines Königs ausgedacht hätte, oder?


  • Jesus: Das Jesus-Baby kommt im Futtertrog zur Welt, weil es sonst keinen Platz gibt. Heißt das wirklich, Gott kommt so natürlich zu uns wie nur irgendwie möglich und wir haben keinen Platz für ihn? Ja! Wie traurig … Gott kommt zu uns, doch wir wollen ihn nicht. Ja … so viel zu diesem Teil der Geschichte. Menschen hätten sich diesen Teil definitiv anders ausgedacht.


  • Hirten: Die Hirten erfahren zuallererst von Jesus Geburt! What?!? Solche ungebildeten, unbedeutenden Schmutzfinken wie Schafhirten bekommen zuerst die frohe Botschaft von Gott übermittelt, noch dazu mit Sonderauftritt der himmlischen Heere aka Engelsgesang, Blasorchester und Pipapo? Nicht wirklich, oder? Doch!


  • Sterndeuter: Über sie wissen wir nicht viel, aber entweder waren das so seltsame Sternleute, die man heutzutage vielleicht sogar als windige esoterische Typen einstufen würde, oder es waren Wissenschaftler, die sich ganz demütig vor dem neuen König verbeugten. Ersteres fände ich komisch, letzteres spannend, weil viele Wissenschaftler zwar heutzutage nicht mehr als erstes mit einem Gottesglauben in Verbindung gebracht werden (Warum eigentlich nicht oder: Selbst schuld?!?!), früher jedoch eine viel größere Nähe zwischen Wissenschaft und Gottesfürchtigkeit bestand (die meisten frühen Wissenschaftler waren gläubig und nicht wenige altehrwürdige Universitätsgebäude zeigen Schriftzüge wie „Soli Deo Gloria“ o.ä.).


  • Verfolgung durch Herodes: Maria und Josef müssen mit Jesus kurze Zeit nach der Geburt nach Ägypten fliehen, weil König Herodes es auf das Jesus-Baby abgesehen hatte und es ermorden lassen wollte. Nicht gerade ein kuscheliger Abschluss für eine nette Geschichte …


Wenn die Weihnachtsgeschichte hingegen von Menschen ausgedacht worden wäre, dann würde sie doch ganz anders verlaufen. Denn nach menschlichem Ermessen hätte das alles anders aussehen müssen:


  • Wenn der Messias schon als Baby auf die Welt kommen muss, (was in der menschlichen Version der Geschichte nicht so vorgesehen war, denn da wäre der Messias als erwachsener König gekommen und hätte die Juden endlich von der römischen Tyrannei befreit), dann wäre zumindest mal statt Maria und Josef natürlich eine sehr anerkannte Theologenfamilie als Eltern für Jesus ausgewählt worden, klar. Ich stelle mir da einen hoch anerkannten Hohepriester vor, der seit 15 Jahren glücklich verheiratet ist, mit seiner Frau bereits mindestens 5 Kinder hat und schon eine erfolgreiche Karriere und entsprechend viel gesellschaftliche Anerkennung vorzuweisen hat. Seine Frau wäre eine erfahrene Mutter. Das Paar bekommt aufgrund ihrer Treue in der Gemeinde und ihrem Gehorsam gegenüber Gott nun also noch das Jesus-Baby als Extra-Bonus dazu. So wäre Jesus in eine optimale Bilderbuchfamilie hineingeboren worden, mit materiellem Wohlstand und allem drum und dran.


  • Die Volkszählung hätte bereits im Jahr zuvor stattgefunden.


  • Das Jesus-Baby kommt in einem Palast zur Welt, wie es sich für einen König gehört!


  • Nicht etwa irgendwelche Hirten, sondern die wichtigsten Leute der Stadt und der Region erfahren zuerst von der Geburt Jesu: Also Leute wie Staatsleute, Geistliche oder Adlige.


  • Die Sterndeuter können wir lassen. Irgendwas Mystisches braucht jede gute Geschichte (Wie komme ich nur darauf?)


  • Jesus wäre nie im Leben von irgendjemandem verfolgt worden. Alle hätten sich gefreut und dem Jesus-Baby ewige Treue zugesagt … Friede, Freude, Eierkuchen eben (In Wahrheit hätte es natürlich Neider und Zweifler gegeben, wie könnte es in der Welt auch anders sein, doch diesen Teil hätte man aus der Geschichte herausgelassen, indem man sie vorher beendet hätte. Wer will schon solche Bad News? Wir machen lieber auf Nachrichtenvermeidung und schön achtsam ein- und ausatmen – aber no offense, spreche natürlich aus eigener Erfahrung)


Tja, was lernen wir daraus? Gott ist eben anders als wir und anders als alles andere. Gott halt 😊 Er lässt sich nicht in Regeln pressen, nicht verwalten oder überblicken und ist oft so anders als das, was wir erwarten würden. Weihnachten bedeutet: Gott ist dort, wo wir ihn nicht sehen wollen oder von wo wir ihn schon längst verbannt haben: In den Bereichen des Lebens, die nicht nach Plan laufen, wie Marias Schwangerschaft. In gefährlichen Situationen wie bei Maria und Josef als unverheiratete werdende Eltern. In unseren schwierigen Umständen wie der beschwerlichen Reise von Maria und Josef aufgrund der Volkszählung. Draußen auf den kalten Feldern und dunklen Nächten unseres Lebens wie bei den Hirten. In Armut und Enge wie bei den einfachen Leuten am Futtertrog in ihrem kleinen Haus/Stall. Und auch bei den Gebildeten, wie den Sterndeutern, ob sie es wahrhaben wollen oder nicht. Gott kommt überall da hin, wo seine Menschen sind, ob es ihnen passt oder nicht. Weil er Gott ist und immer noch selbst über den Lauf der Dinge entscheidet und darüber, wie er die Herzen seiner Menschen erobert.


Für mich machen gerade all diese Abartigkeiten und Unglaublichkeiten die Weihnachtsgeschichte so glaubwürdig. Was meinst du?



„Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.“ Lukas 18,27


"Mache dich auf und werde Licht. Denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir." Jesaja 60,1



Photo: Pexels / Toni Cruenca




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